von Markus Müller
Am Sonntag, den 08. Mai 2011, bin ich von Zernez zurück nach Unterwössen geflogen. Es war kurz vor 18:00 Uhr und ich war wieder einmal spät dran, der bayrische Segelflugwetterbericht hatte das Thermikende auf ca. 18:00 Uhr geschätzt.
Im Stubaital habe ich folgende Wetterlage angetroffen: starke Thermik weit über 3000m hoch, starker Nordwind mit bis zu 30 km/h und eine starke Gegenwindkomponente; somit befand ich mich unter Gleitpfad. Aber bei dieser Thermik kein Drandenken, dass es vielleicht nicht mehr heimlangen könnte.
Über dem Kaiser ein Wellensystem, über dessen Folgen für mich ich nicht einen Augenblick lang nachgedacht habe…
Nach dem Queren vom Stubai- ins Navistal begann dann plötzlich das Drama: ich komme in ein fürchterliches Lee vom Berg Isel (zumindestens habe ich es so interpretiert) und muss in 1800m zurück auf die westliche Talseite, wo ich mich fluchend über den Zeitverlust wieder hochmache, um dann in ca. 2600m gleich nördlich am Berg Isel vorbei ins Luv zu fliegen.
Bis zur Westseite Zillertal ständiger Hangflug mit schwachem Steigen, ein oder zwei Bärte, die meinen Gleitpfad mit der Gegenwindkomponente -15 auf knapp Null bringen. Dann die Information im Funk, dass der Kufsteiner Hang von unten heraus trägt, es scheint also alles OK.
Meine nächste Station ist Zillertal, Ecke Märzengrund, sozusagen einer meiner Hotspots für die Endanflughöhe, der mich eigentlich noch nie enttäuscht hat. Noch beim Queren habe ich Wind aus Nord, der mich mit Null Sinken hinüberträgt, alles wie es sein soll.
Plötzlich krieg ich einen Schlag von rechts, also von der Südseite, sämtliche Ruder werden weich und es geht bergab wie im Fahrstuhl vom Olympiaturm. Nach einer Schrecksekunde und dem völligen Unverständnis der Situation drücke ich schweren Herzens auf 170 km/h an und flüchte in die Talmitte des Inntals. Erst auf der nördlichen Seite geht das Sinken gegen Null und die Gegenwindkomponente baut sich wieder auf. Der Schaden an meiner Endanflughöhe war aber so groß, so dass es nicht mal mehr nach Kufstein reichte und ich 5 Minuten später auf einem frisch eingesäten Acker gesessen bin, dessen Bauer total begeistert über meinen Besuch war: „Wieso bei mir, wo des Zeig bei der Trockenheit eh‘ so schlecht wachst und es mir jetzt ois zertrampelts?“
Mein nachträglicher Erklärungsversuch war eigentlich zuerst ‚plötzlich einsetzender Talwind‘; auf einen besseren und wahrscheinlicheren Grund hat mich dann der Hans Limmer gebracht: wenn über dem Kaiser eine Nordwelle steht, bilden sich über dem Inntal die zugehörigen Rotoren, deren absteigender Bereich an der südlichen Talseite (bei Innsbruck z.B. bis ins Navistal hinein) zu finden ist – und darauf muss man vorbereitet sein, wenn man bei einer solchen Wetterlage noch heimkommen will!
Was lernen wir daraus: Da, wo die Seitentäler aus Süden ins Inntal einmünden, ist dann ein verdammt schlechter Ort: wenn man von Westen nach Innsbruck kommt und es hat den Verdacht einer Nordwelle, dann sollte man seine Route sehr sorgfältig überlegen, z.B. zuerst nach Süden Richtung Brenner fliegen, um dem eventuellen Rotor zu entgehen. Ich hatte am Sonntag dafür überhaupt kein Problembewusstsein…
Das war die Geschichte über einen wahrhaft grandiosen Absaufer aus einer im Westen von Innsbruck noch ziemlich unbedrohlichen Situation. Wir sehen uns auf dem nächsten Acker und beim nächsten Fehler…
Gruß Markus